7. Otto F. Scharr Kunstpreis 2024 »Leuchtpunkt« / Die Preisträger


  1. Preis für Sabine Sulz (Sonnenstunden)

Die Arbeit spielt mit dem Licht im Ausstellungsraum und verändert sich mit der Tageszeit – Schattenwürfe und Lichteinfall wechseln sich ab, je nach Lichteinfall leuchten andere Bereiche auf, fallen weitere Klippen und Schluchten aus leuchtend gelben Flächen ins Auge. Ist es Skulptur, Objekt oder vielleicht sogar Architektur? Ist es Zeichnung? Oder Malerei? Eine zweidimensionale Fläche wird durch Faltung zur Architektur und zur sonnenbeschienenen Landschaft, die man gedanklich begehen und erforschen kann. Die Arbeit zieht die Blicke und die Neugierde auf sich, die Betrachtenden werden zu Schauenden. Die Aussage der Arbeit bliebt offen und frei: Wie der Mönch am Meer steht man vor den Sonnenstunden.

Nina Joanna Bergold


 

2. Preis für Peter Dannenhauer (Mensch am Meer)

„Mensch am Meer“ kann als künstlerische Antwort auf das Bild „Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich verstanden werden. Die geradlinig aufgebaute Collage aus rechteckigen Teilen gesammelter Druckerzeugnisse, oft Einladungskarten zu Ausstellungen, setzt auf die Wirkung von Nahsicht und Fernsicht. Das Bild zeigt sich bei näherer Betrachtung als Zitat verpixelter Bildschirmwirklichkeit, als eine mit subtilem Farbempfinden zusammengesetzte Matrix. Weder Fotografie noch Malerei, weder Objekt noch Skulptur, entsteht durch das Überschreiten von Gattungsgrenzen eine illusionistische Abbildung, die Caspar David Friedrichs Werk mit spielerischer Kreativität in unsere Zeit transportiert.

Gerold Jäggle


 

3. Preis für Christa Planck (o.T.)

Das Foto ohne Titel von Christa Planck zeigt eine afrikanische Reisigsammlerin mit schwarzer Kopfbedeckung und verblasenem Haar. 

Sie steht in einer flachen, düster wirkenden Landschaft im Dämmerlicht eines wolkenverhangenen Himmels, ihr Gesicht weitgehend im Schatten. Ihr Gewand ist von sattem Magenta, und wird an der Schulter durch eine silberne Fibel zusammengehalten. Der kräftige Pinkton des Umhangs steht in deutlichem Kontrast zur Melancholie der Landschaft, und erzeugt vor dem grauen Hintergrund ein mildes und warmes Licht. Mensch und Natur als Gegensatz oder als sich mehrstimmig ergänzendes Moment?

Im Mittelpunkt des Fotos ist die silberne Fibel wie ein Leuchtpunkt gesetzt. Gleich einem Zeichen, einer geheimnisvollen Majuskel fängt sie ein weißes Licht ein, wo auch immer es herkommen mag.

Sabina Hunger


 

Hier finden Sie den Katalog zum 7. Otto F. Scharr-Kunstpreis 2024 mit allen ausgestellten Arbeiten zum Durchblättern.


Vernissage zum 7. Otto F. Scharr Kunstpreis 2024
14.4.- 12.5.2024

 
 

6. Otto F. Scharr Kunstpreis 2023 »Vis-à-Vis« / Die Preisträger


1. Preis: MarquardtHarald, “Komm tanz mit mir” 2023

Da herrschte bei der Jury Einigkeit: Inhaltlich und ästhetisch absolut überzeugend.

Formal ist das Bild stark reduziert. Das Papier in elegantem Nichtweiß, akkurat gedruckte Elemente in Rot und Schwarz, eine klare, leicht polarisierende Farbkombination. Dazu viel Weißraum, viel Luft zwischen den farbigen Elementen, während eine zarte Marker-Linie die Komposition zusammenhält. Das Bild atmet und lässt den Betrachter*innen Platz, sich selbst einzubringen.

Das Thema Vis-à-Vis wird spielerisch und humorvoll aufgegriffen. Wir sehen präzise gesetzte Fußabdrücke von einem Paar Herrenschuhe und einem Paar Stilettos, und vor allem letzteres ist herrlich augenzwinkernd „auf den Punkt“ gebracht. Wobei die Herrenschuhe ja nicht zwingend von einem Herren getragen werden müssen. Die Frage nach der möglichen Zuordnung der Schuhe zu den diversen Geschlechtern steht damit unausgesprochen im Raum.

Auf dem Papier entfalten sich schematische Tanzschritte, die wir selbst als Betrachter*innen unwillkürlich und intuitiv mit Leben füllen. Was für ein Tanz ist das und wann führt das Pas de deux zum vis-à-vis? Das Bild ist trotz der präzisen Setzungen der Fußabdrücke nicht statisch, sondern ein visueller Prozess. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die Linie, die auf einer Transparentfolie über die Schrittfolgen gelegt ist, und mit ihren Windungen und Kreuzungen keineswegs zur Klärung des Prozederes beiträgt, sondern aufs Schönste sinnverwirrend ist. Das Bild lädt zum direkten Nachtanzen ein, gedanklich oder tatsächlich, für eventuelle Verknotungen wird allerdings keine Haftung übernommen.

Vivien Sigmund / Kunsthistorikerin M.A. / Jurymitglied


2. Preis: Paula Pelz, “Gegenübergestellte”

In ihrer Werkbeschreibung gibt die Künstlerin preis, dass ihre Gesichter jeweils auf eine Leinwand gemalt, anschließend gefaltet und in skulpturale Form gebracht wurden. Keine feste Kopfform gibt den beiden Bemalungen strukturellen Halt. Nicht nur die Frage nach einem Wer ist unter einer Maske verborgen, sondern was überhaupt ist verborgen, wird fast schon auf philosophische Weise an den Betrachter weitergegeben. Spürbar wird eine Haltung, welche besagt, der Mensch sei in seinem Wesen nicht wirklich erfassbar und verstehbar ist wohl auch nur ein bestimmter Ausdruck, und sei es der eines beschriebenen Gesichts. Es sind die Zwischenräume der gesetzten Worte innerhalb einer Schrift, die Pausen. des Atemholens, die Blaue Stunde zwischen Tag und Nacht aus denen das Wesenhafte seine Kraft und Bedeutung gewinnt. So gesehen wäre endlich jegliches Wesen ein Denken, ein Sehnen, ein Gesang, ein sich Hingeben, ein Fließen, oder Verbrennen.

Eine zweite Ebene wird in Paula Pelzens Arbeit „Gegenübergestellte“ eröffnet in deren Zentrum ein inneres Wesen vis-a-vis zu seinem jeweils äußeren körperlichen Mantel gesetzt ist.   Die Phantasien, welche  in der Betrachtung der Arbeit geboren werden, spannen einen Bogen bis hin zur Überlegung darüber, ob es sich grundlegend um ein Wesen handelt, das mehrere Gesichter hervorbringt und vis-a-vis, diesem, seinem anderen Gesicht kritisch gegenübersteht, Die dargestellte Dualität zweier Köpfe, mündet dann in die zentrale Frage wer bin ich selbst. So gesehen könnte als finaler Endpunkt die Folgerung gezogen werden, sind wir nicht in der ständigen Selbstbespiegelung und Selbstbefragung Gefangene eines „VIS-A-VIS“

Felix Sommer / Galerieleiter, Zeichner / Jurymitglied


3. Preis: Katja Siegmann, “Verblasste Erinnerung” 2023

Das blass erscheinende Aquarell von Katja Siegmund mit dem treffenden Titel „Verblasste Erinnerung“ erschließt sich ebenfalls erst bei genauer Betrachtung. Es gibt eine Stimmung wieder, bei der man das Gefühl hat, dass diese sich irgendwo tief in einem Menschen eingebrannt hat. Die Gesichter, maskenhaft reduziert und damit so deutlich wie die Sprache der Körper. Beieinander und doch nicht beieinander – stark und doch fast nicht greifbar.

Peter Haußmann / Künstler, Bildhauer / Jurymitglied

 

3. Preis: Werner Rosch, “Oft versteht man nichts—Vis-à-Vis” 2023

Der Frosch mit Krone und Spiegelei, auf kräftig rotem Hintergrund, mag beim ersten Hinsehen an ein Stickbild aus Omas Zeiten erinnern. Jedoch, beim Blick aus der Nähe zeigt sich, es gibt weder Fäden noch Wolle, sondern exakte deckungsgleiche, pixelähnliche Farbquadrate, die durch ein regelmäßiges Gitterwerk getrennt sind und so den Hintergrund sichtbar belassen.

Ob der Frosch nun der Froschkönig aus dem Märchen ist, der in Erwartung einer ersten Begegnung, die ihm mit Hilfe eines Kusses die ersehnte Freiheit bringen wird, das bleibt der Fantasie des Betrachters überlassen, und ebenso, in welchem Sinne das Spiegelei im Vordergrund, ob im Wortspiel oder direkt und wem auch immer, wohl einen Spiegel vorhält.

Peter Haußmann / Künstler, Bildhauer / Jurymitglied

 

Hier finden Sie den Katalog zum 6. Otto F. Scharr Kunstpreis mit allen ausgestellten Arbeiten zum Durchblättern.


Vernissage zum 6. Otto F. Scharr Kunstpreis 2023
21.5.- 18.6.2023