8. Otto F. Scharr Kunstpreis 2025 »ver /rückt«


 

8. Otto F. Scharr Kunstpreis 2025
»ver /rückt«

Am Sonntag, den 23. März, fand die Preisverleihung und Vernissage zum 8. Otto F. Scharr Kunstpreis statt. Viele Künstler und Gäste nahmen an den Feierlichkeiten im Otto F. Scharr Saal teil.

Eröffnet wurde die Vernissage mit einem venezianischen Tanz („Marche des Folles“) durch Tänzerinnen des Tanzateliers Stuttgart unter Leitung von Frau Sandra Irrgang, und einer kurzen Sprachperformance, vorgetragen durch Vertreter und Vertreterinnen des Kunstbeirats und Susanne Spotz.

Im Anschluss begrüßte die 1. Vorsitzende, Gabriele Vieten, die Gäste und führte in das Thema „ver/rückt“ ein.

Vor der finalen Preisverleihung erwartete dann das Publikum nochmals eine Überraschung, wiederum präsentiert durch das Tanzatelier Stuttgart: 14 Tänzerinnen unterschiedlichsten Alters boten mit großer Ausdruckskraft ein wahres Feuerwerk an Tänzen und Choreografien und sorgten für begeisterten Applaus der Anwesenden.

Darauf folgte mit der Preisverleihung durch Rainer Otto F. Scharr sowie Gabriele Vieten und Susanne Spotz der Höhepunkt der Vernissage.

Begrüßungsrede PDF

 
 

8. Otto F. Scharr Kunstpreis 2025 »ver /rückt« Die Preisträger


1. Preis: „LED-Blume" - Hyunjin Kang

Ein Reklameschild, auffällig leuchtend, erzeugt in jedem Betrachter ein Bild. Mit diesem Phänomen beschäftigt sich Hyunjin Kang in ihrer Arbeit „LED-Blume": sie spielt mit Vorstellung, Erwartung, Enttäuschung und der realen und imaginären Existenz. Betrachtet man die LED-Blume im urbanen Naturkontext, erscheint die vorgetäuschte Wirklichkeit besonders grotesk, denn wieviel ihrer Natürlichkeit behält die Natur im städtischen Umfeld?

So ver-rückt, nicht im Sinne der Abweichung von der Norm, sondern im Sinne von Verschoben, das scheinbare Bild oder der angenommene Raum die Richtigkeit in eine neue Bedeutung und eröffnet neue Perspektiven.

Anna Ingerfurth | Künstlerin und Jurymitglied, Stuttgart


 

2. Preis: „Der Strippenzieher" – Brigitte Zizmann

Das Wandobjekt ist klar strukturiert: Auf einem grauen Quadrat (welches mit einer Ecke nach unten zeigt) befindet sich ein kleineres weißes Bild mit einer Strichzeichnung (mit schwarzen Linien) darauf. Eine Schnur führt links aus dem Objekt heraus und endet in einer Kugel.

Die Umrisslinienzeichnung ist eine unmissverständliche Handlungsanweisung für den Betrachter: „Nimm die Kugel in die Hand und zieh' an der Schnur!" Dadurch wird das weiße Quadrat mit der gezeichneten Anleitung nach links oder rechts „ver-rückt".

Bloße Spielerei? Mitnichten: Hier wird - durchaus ernsthaft - auf unsere Wahrnehmungsgewohnheiten „angespielt". Ein auf der Spitze stehendes Quadrat wird in der Regel als labil empfunden. Das „Zurechtrücken" mit der Schnur läuft hier allerdings ins Leere: Eine wirklich stabile und harmonische Komposition lässt sich nicht erreichen...

Vier Quadrate bestimmen den bildnerischen Aufbau des Objektes, welches gleichwohl nicht mit dem Etikett „Konstruktivistische Kunst" versehen werden kann - eher ist allenfalls eine humorvolle Anspielung auf die unzähligen Variationen von Quadratbildern aus dem weiten Feld der geometrischen Abstraktion zu vermuten.

Augenzwinkerndes steckt auch im Titel des Werkes: „Strippenzieher" wird gewöhnlich im übertragenen Sinn verwendet - hier allerdings greift die konkrete Bedeutung: die gezeichnete Figur auf dem Objekt zieht an einer Strippe und der Betrachter wird dies ebenfalls tun - sofern er keine Scheu hat, der „Bedienungsanleitung" zu folgen, um somit letztendlich zum Vollender des Werkes zu werden.

Hans Albrecht | Künstler/Bildhauer und Jurymitglied, Zell u.A.


 

3. Preis: „Leitbake" – Jonathan Ohr & Nikita Neitzke

       

Die Störung der Störung

Beliebt sind Leitbaken nicht. Schließlich hindern sie die Menschen daran, zielstrebig durchs Leben zu eilen. Auch Jonathan Ohrs und Nikita Neitzkes „Leitbake" wirkt im Ausstellungskontext wie ein Störfaktor - ein schnödes Alltagsobjekt ohne jede Eleganz. Und doch will diese Bake erobert sein und der subversive Eingriff wie ein Rätsel entschlüsselt werden. Jonathan Ohr und Nikita Neitzke führen nicht nur das Regiment des rechten Winkels ad absurdum. Mit ihrer kleinen Geste lassen sie zugleich die große Lust an der Störung der Störung schwungvoll nachempfinden.

Adrienne Braun | Kulturjournalistin, und Jurymitglied, Stuttgart